Mit 195 Millionen Nutzern ist Netflix der führende Streamingdienst und lässt damit andere Riesen wie Amazon (150 Millionen) und Sky (23 Millionen). Aufgrund seiner zahlreichen Eigenproduktionen, darunter das supererfolgreiche „Damengambit“ mit 62 Millionen Zuschauern.
Netflix hat offenbar ein Gefühl für Zeitgeist und den richtigen Riecher, welche Serie Junkpotential hat und welche nicht. Dabei nutzt es eine raffinierte KI, um Publikumsvorlieben zu ermitteln. Ob eine Serie Erfolg hat oder nicht hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Es geht dabei nicht nur um regionale Unterschiede, sondern auch Dinge wie Jahreszeiten oder die generelle soziale Stimmung. Ähnlich wie an der Börse. Wer die besten Vorhersagen macht, räumt am Ende ab. Und genau aus diesem Grund setzt sich Netflix weiter durch.
Eine Form der KI von Netflix sind die sogenannten Wissensgraphen. Sie analysieren einen Film oder eine Serie auf Eigenschaften wie Genre, Ära, Thematik bestimmte Schauspieler und viele andere geheime Parameter und vergleicht sie mit anderen – auch solche, die noch nicht im Netflix-Repertoire sind. Auf Grundlage dieser Berechnungen können neue Filme in die Auswahl aufgenommen werden. In seinem Netflix-Feed findet man unter seinen Filmvorschlägen immer auch eine Prozentangabe, die angibt, wie genau sich ein Titel mit anderen angesehenen deckt. Die Wissensgraphen lernen dabei ständig dazu und werden in ihren Vorhersagen präziser.
Eine weitere Form der KI, die Netflix nutzt, sind Similarity Maps: Kriterien und Zuschauerzahlen werden diesmal in denselben Korb geworfen und miteinander verglichen. Netflix kann jetzt neue Projekte generieren, indem es Potentiale aufspürt.
Die KI verarbeitet auch regionale Daten: Filme die in der Vergangenheit in einer bestimmten Region gut gelaufen sind, müssen in einer anderen nicht automatisch auch gut ankommen. Für jedes Land gibt es deshalb einen ganz eigenen Netflix-Feed mit verschiedener Filmauswahl. Serien, von denen die Ki vorhersagt, dass sie in einem Land besonders gut ankommen wird, werden dort stärker beworben. Die Investition lohnt sich nämlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.
Netflix nutzt aber auch andere Parameter in seinem Algorithmus, wie Metadaten oder Tags. Die Netflix-Datenband gleicht einer riesigen Datenbank, deren Verbindungsstellen, also die Parameter, nach denen Filme und Serien ausgewertet werden, das Genie der Vorhersagekraft der Plattform ausmachen.
Der gesamte Netflix-Feed ist auf den Nutzer personalisiert, bis auf die angezeigten Titelbilder. Vorhersagen spielen auch in Hollywood seit Jahrzehnten eine entscheidende Rolle und diktieren den Inhalt von großen Blockbustern. Als gäbe es das perfekte Rezept für den perfekten Film. Das hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass die Filme immer mehr einander glichen. Sie wurden einander ähnlicher und ungewöhnliche Filmprojekte hatten es schwerer, sich durchzusetzen.
Eine ganze neue Sparte, das Independent-Kino entstand. Netflix scheint aber alle Zuschauergruppen zu begeistern. Es gibt nette, kleine Mini-Serien mit Charakter-Schwerpunkt oder große, actiongeladene Comic-Verfilmungen für die leichtere Unterhaltung. Netflix scheint mit genau der gegenteiligen Strategie Zuschauer zu gewinnen und auch zu halten: Personalisierung heißt nicht, alle Geschmäcker über einen Kamm zu scheren und den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden und daraus einen Film zu machen, sondern Unterschiede zu respektieren, zu betonen und eine schillernde Auswahl an Vielfältigkeit zu generieren. Das ist die Zukunft.